Von Selbstverwaltung und Unabhängigkeit – Ein Bericht aus den Llanos von Portugesa

10. September 2013|Brigaden

Die zweite Station auf unserer Suche nach einem Ausgangspunkt für unsere zukünftige Arbeit in Venezuela führte uns in den Bundesstaat Portugesa. So wie Barinas ist Portugesa ländlich geprägt und trägt zu einem bedeutenden Teil der landwirtschaftlichen Produktion Venezuelas bei. Im Vorfeld unseres Aufenthalts kontaktierten wir die Aktivistinnen des Kollektivs La Nueva Casika in der Bundeshauptstadt Guanare mit dem Wunsch deren Projekt kennenzulernen und Kommunen im Aufbau zu besuchen. La Nueva Casika ist ein vom Staat und seinen Institutionen unabhängiges selbstverwaltetes Hausprojekt in der Altstadt Guanares. Das von der Stadt aufgekaufte Haus aus der Kolonialzeit sollte ursprünglich zum Kulturhaus umfunktioniert werden. Es stand jedoch seit vielen Jahren leer, bis verschiedene politisch und kulturell aktive Jugendgruppen sich entschieden das Haus zu besetzen und mit Leben zu füllen. In Eigenregie wurde das Haus vor zwei Jahren renoviert und es wurde damit begonnen dort die verschiedensten Aktivitäten anzubieten; unter anderem Konzerte, Workshops, Infoveranstaltungen, Kinoabende und Vokü.

Über verschiedene Kanäle bemühten sich die Aktivisten des Kollektivs Gelder und Materialien für die Nueva Casika zu organisieren. Im Vordergrund der Bemühungen stand jedoch immer der Gedanke der Selbstverwaltung und der politischen Unabhängigkeit. Die Mitglieder der Kasika bekennen sich zum Umgestaltungsprozess Venezuelas, versuchen jedoch eine kritische Distanz zu den staatlich finanzierten politischen Bewegungen und Institutionen aufrecht zu erhalten. In Venezuela gleicht dieser Anspruch einem Drahtseilakt, da die meisten politischen Aktivisten gleichzeitig öffentliche Angestellte sind und eine offene kritische Haltung zu Konflikten mit den institutionellen Arbeitgebern führen, die die eigene Anstellung gefährden können.

Trotz vieler Schwierigkeiten hat es die Casika geschafft sich als eigenständiges Projekt zu etablieren. Wir wollen in Zukunft versuchen die Aktivisten des Hausprojekts zu unterstützen. Während unseres Aufenthalts in der Kasika halfen wir mit die Tagesveranstaltungen wie z.B. die Vokü zu organisieren. Am vergangenen Freitag veranstalteten wir außerdem das Forum “Aprender de las Derrotas” – Ein Vergleich der Probleme des Realsozialismus in der DDR mit den Schwierigkeiten der Bolivarianischen Revolution heute.

Der zweite Schwerpunkt unserer Arbeit in Portugesa lag neben dem Hausprojekt bei der “Comuna en Construccion Hugo Chavez”. Wir besuchten die am Stadtrand Guanares liegende Gemeinde “Las Tablitas”. Der dortige Gemeinderat schließt sich gerade mit sechs weiteren zusammen zur Kommune in Aufbau Hugo Chavez. Las Tablitas ist eine Gemeinde, die vor wenigen Jahren ein Stück Land besetzte und nur aus Blechhütten bestand. In den letzten 8 Jahren wurden im Rahmen der Initiative “Casa por Rancho” (von der Hütte zum Haus) und der Gran Mision Vivienda über 200 neue Häuser gebaut, die Bewohner begann sich in Consejos Comunales zu organisieren und schlugen den staatlichen Institution verschiedene Projekte vor. Eines dieser Projekte ist die Fischzucht in dafür künstlich angelegten Teichen.
Ursprünglich handelte es sich um ein Staatsprojekt aus dem Jahr 2010 bei dem jedoch nach dem ersten Fang des Speisefisches die Produktion zum erliegen kam. Nach Protesten und Vorschlägen der Gemeinde wurden die Teiche, das dazugehörige Verarbeitunghaus und verschiedene Geräte dem Consejo Comunal übergeben. In etwa zwei Monaten sollen aus den ersten 6 der insgesamt 18 Lagunen die Cachama (Schwarzer Pacu) geholt werden, um diesen dann zu verarbeiten und lokal zu vermarkten. Bei der Fischzucht handelt es sich hierbei um ein Pilotprojekt, denn dei einer erfolgreichen Produktion wollen die verschiedenen Consejos weiteres Land erwerben und in den landwirtschaftllichen Betrieb nehmen.

In der direkten Umgebung der Cachamabecken befinden sich ueber 50 Gewaechshaeuser, die dem Landwirschaftsministerium gehoehren und in denen Tomaten und Paprika angepflanzt werden. Die Gemeinden planen einige dieser Gewaechshaueser die zur Zeit nicht in Betrieb sind unter Selbstverwaltung zu stellen.

Hier einige Fotos von unserem Aufenthalt, wie gewohnt haben wir natürlich auch hier wieder bunte Spuren hinterlassen:

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