Tierra y Libertad – 2. Bericht der Brigade “Somos Naqaba”

19. September 2017|Brigaden

Themen
– Demonstration “¡Juana, no estás sola!”
– Vierte Nationale Frauenversammlung der SAT
– Filmvorführung “Días de lucha, días de luto”
– Italienische Brigade: Fuori Mercato zu Besuch in Almería
– Hasta ahora brigadistas!

 

 

Seit mehr als einer Woche sind wir nun in Almería und die Arbeit der SOC-SAT ist noch genauso intensiv und faszinierend wie in unserer Erinnerung an den März. Zwischen all den Eindrücken, Treffen und Gesprächen wollen wir uns trotzdem die Zeit nehmen, das Erlebte mit euch zu teilen.
In aller Kürze: wir besuchten eine Solidaritätsdemonstration für Juana Rivas, nahmen an der Vierten Nationalen Frauenversammlung der SAT teil, zeigten die im März aufgenommene Dokumentation von unserer Interbrigadista Aline im Gewerkschaftsbüro in San Isidro, tauschten uns mit den italienischen Genoss*innen vom Fuori Mercato aus und verabschiedeten uns schließlich schon von den Brigadeteilnehmern Boris, Marc und Philipp und den Journalist*innen des Bayrischen Rundfunks.

Demonstration: „¡Juana, no estás sola!“
Die Genossin María, Gewerkschafterin der SOC-SAT, lud uns ein im Zuge einer Demonstration in Almería unsere Solidarität mit Juana Rivas auszudrücken. Für diejenigen, die kein Spanisch können, möchten wir die Geschichte kurz zusammenfassen. Juana, eine Spanierin aus der Nähe von Granada, ist mit einem Italiener verheiratet und die beiden haben zwei Kinder. Seit Beginn der Beziehung leidet Juana unter häuslicher Gewalt. 2009 zeigte sie ihren Ehemann erstmals an. Allerdings wurde dieser damals nur zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt. In den Jahren lebte sie weiter mit ihm zusammen, nach ihrer Aussage, „sklavenartigen Umständen“. Erst letztes Jahr schaffte sie es mit ihren beiden Kindern nach Spanien zu fliehen. Hier sollte sie nun unter dem Vorwand ihrer angeblichen “Kindesentführung” dazu gezwungen werden ihre Kinder dem handgreiflichen Ehemann zu übergeben.
Dieser Fall ist exemplarisch für die patriarchale Justiz in Spanien. So erklärt sich auch die Wut und Empörung von Hunderten von Frauen, die sich in verschiedenen Städten zu Solidaritätskundgebung zusammenfanden. Die feministische Aktionsplattform in Almería (La Plataforma de Acción Feminista de Almería) mobilisierte etwa 200 Personen, die lautstark für Juana und gegen Sexismus und Patriarchat durch die Stadt zogen. Dabei riefen sie „¡Violencia machista, Estado terrorista!“ und auch der internationalistische Charakter der Frauenbewegung, der uns besonders am Herzen liegt, wurde mit dem Slogan “¡De norte a sur, de este a oeste, contra el patriarcado cueste lo que cueste!“ (Von Nord bis Süd, von West bis Ost, gegen das Patriarchat, was es auch koste) betont.
Wir wollen noch kurz darauf hinweisen, dass die Organisation und Durchführung einer solchen Demonstration in Spanien seit der Einführung des Ley Mordaza im Jahr 2015 mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. So müssen Versammlungen mindestens 10 Tage im Voraus angemeldet werden und bereits kleinste Verstöße gegen Auflagen und Vorschriften werden mit drakonischen Strafen belegt.
Umso beeindruckender ist die Entschlossenheit und Einheit, die die Frauen* von Almería am Samstag gezeigt haben. Und auch in Zukunft werden die verschiedenen Organisationen der feministischen Plattform hart daran arbeiten Frauen zu organisieren und den Kampf gegen Unterdrückung fortzuführen.

Vierte Frauenversammlung der SAT
Einen Tag nach der Demonstration in Almería begleiteten die Brigadistas Hanna und Mariana die Gewerkschafterinnen María und Carmen in das etwa zwei Stunden nördlich gelegene Jodár, wo die SAT ihre Vierte Nationale Frauenversammlung abhielt. Seit ihrer Gründung will die Gewerkschaft einen Raum für die Stimme der Frauen öffnen. Es dauerte jedoch bis 2015 dieser Raum auch institutionalisiert wurde und nicht nur als zweitrangig behandelt wurde.
Das Frauenprogramm der SAT entstand aus der Notwendigkeit die Probleme von Frauen in der Gewerkschaft als auch von Landarbeiter*innen und Frauen in der landwirtschaftlichen Lieferkette sichtbar zu machen und so den Kampf gegen diese Strukturen aufzunehmen.
An der Versammlung nahmen Frauen aus ganz Andalusien teil. Besonders auffällig war die gute Organisation, die große Motivation der Teilnehmerinnen und die Freude an der gemeinsamen Arbeit. So konnten wir in zwei Stunden alle anstehenden Themen geordnet und ausführlich besprechen: eine einführende Vorstellungsrunde gefolgt von der familiären Situation des politischen Gefangenen Andrés Bódalo (siehe letzter Post), kurze Bestandsaufnahme des Frauenprogramms einschließlich der aktuellen Probleme in den jeweiligen Gewerkschaftsbüros und konkrete Vorschläge zu deren Verbesserung. Außerdem wurden zwei Arbeitsgruppen gebildet: eine mit der Aufgabe das Frauenprogramm zu evaluieren und eine, die bis zur nächsten Versammlung ein Logo des Frauenprogramms gestalten soll. Zudem wurde sowohl Ort und Zeit der nächsten Frauenversammlung als auch der nächsten feministisch-gewerkschaftlichen Demonstration festgelegt.
Unsere Brigadistas kehrten inspiriert und mit großer Motivation für die anstehenden Kämpfe nach Almería zurück. Und natürlich begleiten wir weiter mit großem Interesse alle feministischen Aktivitäten der Gewerkschaft.

 

Filmvorführung “Días de lucha. Días de luto”
Während Hanna und Mariana den feministischen Kampf in Jódar unterstützten, zeigte der Rest der “Somos Naqaba”-Truppe den Film “Días de Lucha, Días de Luto”, den die Interbrigadas-Aktivistin Aline im Rahmen unserer letzten Brigade “Berta Cáceres” gemacht hat.
Im März begleiteten wir den Kampf von 22 Arbeiter*innen gegen ihre ungerechtfertigte Kündigung und den ausbeuterischen und rassistischen Normalzustand der Region. Mit dabei war stets eine Kamera, die diese Momente der Hoffnung, des Kampfes, aber auch der Verzweiflung und Traurigkeit einfing.
Gemeinsam mit einigen der 22 Arbeiter*innen und den italienischen Genoss*innen von Fuori Mercato sahen wir den Film im Gewerkschaftsbüro in San Isidro, dem Ort, an dem wir noch vor wenigen Monaten Versammlungen für eben jenen Kampf abgehalten haben und die Transpis und Plakate für die Kundgebungen der 22 gemalt haben.
Die Stimmung war emotional. Wir freuten uns über das Wiedersehen mit den Arbeiter*innen und den Blick zurück in den März, der alle mit Stolz, aber auch mit Wehmut erfüllte. Der Kampf der 22 ist weit davon entfernt gewonnen zu werden.
Und doch überwog das Positive. Auch in der anschließenden Diskussion rekapitulierten wir das Erlebte, planten Neues und öffneten einen Raum für Fragen und Ideen.
Denn für uns ist dies kein Abschluss, sondern ein Punkt des Aufbruchs. Wir wollen versuchen aus diesem ersten Kampf, den wir im Plastikmeer von Almería begleitet haben, zu lernen und Wege finden, wie unsere internationalistische Unterstützung zum konkreten Vorteil für die Gewerkschaft und selbstorganisierte Arbeiter*innen werden kann.

Italienische Brigade: Fuori Mercato zu Besuch in Almería
Zuletzt kamen wir auch noch dazu einige Aktivitäten mit den italienischen Genoss*innen von Fuori Mercato durchzuführen. Fuori Mercato ist ein Netzwerk aus 15 Organisationen aus allen Teilen Italiens, die sich Grundlage von zwei Konzepten zusammengeschlossen haben: Ernährungssouveränität und Selbstverwaltung. In diesem Rahmen vernetzen sich landwirtschaftliche Kooperativen, Migrant*innenorganisationen, besetzte Fabriken und Gewerkschaften. Die Genoss*innen des erst eineinhalb Jahre alten Zusammenschlusses kamen nach Andalusien, um die Arbeit der SAT besser kennenzulernen und von den Erfahrungen hier zu lernen. Während ihrer neuntägigen Rundreise besuchten sie verschiedene Projekte der Gewerkschaft, unter anderem Marinaleda und die besetzte Finca „Cerro Libertad“ in der Nähe von Jaén, bevor sie schließlich an dem Endpunkt ihrer Erkundungstour in Almería ankamen.
Hier unterstützten sie gleich an ihrem ersten Morgen ganz konkret die Arbeit der Gewerkschaft. Gemeinsam mit ihnen und dem Sprecher der SOC-SAT Almería zogen wir ausgestattet mit Fahnen der Gewerkschaft und Infomaterial um 06:30 morgens los. Unser Ziel: ein Betrieb im Plastikmeer. Mehrere Arbeiter*innen hatten sich einige Tage zuvor an die Gewerkschaft gewandt und über Löhne unter Tarifvertrag und andere Verstöße gegen Arbeitsvorschriften berichtet. Um Druck auf die Firma aufzubauen und die Arbeiter*innen in ihrer Organisierung zu bestärken kamen wir mit vier Autos pünktlich zu Arbeitsbeginn, verteilten Flyer und sprachen mit den Arbeiter*innen.
Schon im Laufe des Tages zeigten sich die Früchte der morgendlichen Aktion. Mehr und mehr Arbeiter*innen des Betriebs wollen sich nun gegen die Zustände wehren und sich der Gewerkschaft anschließen.
Am nächsten Tag nutzten wir schließlich noch die gemeinsame Zeit für eine große Runde zwischen Fuori Mercato, SOC-SAT und Interbrigadas. Dabei teilten wir unsere jeweiligen Erfahrungen und sprachen über konkrete Möglichkeiten der internationalistischen Zusammenarbeit. Dabei hörten wir von verschiedensten, sehr beeindruckenden Projekten in Italien, von besetzten Fabriken in Mailand und selbstverwalteten Landkooperativen im Süden und der solidarischen Zusammenarbeit von Migrant*innen mit Italiener*innen.
Wir freuen uns sehr über die unzähligen Einladungen und hoffen bald mal wieder Genoss*innen aus Italien in Berlin willkommen heißen zu dürfen.

¡Hasta ahora brigadistas!
Im Laufe der letzten Woche mussten wir uns auch von einigen Brigadistas verabschieden. Normalerweise versuchen wir kurze Aufenthalte im Rahmen von Brigaden zu vermeiden, um Kontinuität und Seriosität unserer Arbeit zu gewährleisten. Idealerweise bleiben daher alle von Anfang bis Ende, allerdings war diesmal eine Ausnahme angebracht. Denn neben fließenden Spanischkenntnissen brachten die Genossen wichtige Aspekte in unsere Arbeit ein. Sei es als Teil unseres Rechercheteams oder als auch in Berlin  gewerkschaftlich sehr aktiver Genosse. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen auf dem Auswertungswochenende. Und auch ein langjähriger und brigaderprobter Interbrigadista sagte Lebwohl. Als Übersetzer, Organisator und Motor begleitete er die Dreharbeiten des ARD-Teams, welches hier eine Woche lang Material für eine Reportage über die Arbeitsbedingungen in der Region sammelte. So viel zu den Abschieden, aber erfreulicherweise hat unsere Brigade auch einen neuen Teilnehmer hinzugewonnen. Ein italienischer Genosse von Fuori Mercato, aktiv bei Contadinazioni in Palermo, hat sich entschieden in Almería zu bleiben und sich bei „Somos Naqaba“ einzubringen.

 

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