Die Brigade Berta Cáceres (Teil 1) – Ankunft und Auftakt

17. März 2017|Brigaden

Am 02. März landete unser Flieger in Malaga. Nach den ersten Erledigungen trafen wir uns sogleich mit den Gewerkschafter*innen der SOC-SAT in deren Büro in Almería. Im Anschluss an ein erstes Kennenlernen stellten wir den Genoss*innen unser Kursprogramm vor und besprachen unseren gemeinsamen Plan für die nächsten Wochen.

Eine der Aufgaben der Brigade ist es, mithilfe von Workshops auch innerhalb schon bestehender Aktivitäten der Gewerkschaft in den Orten Almería, San Isidro und El Ejido auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen und diese konkret zu unterstützen. (Hintergrundinformationen zur Arbeit der SOC-SAT sind im Brigadepost der Brigade Gerda Taro abrufbar unter:

Die Brigade Gerda Taro – Gewerkschaftsarbeit im Plastikmeer von Almería

Unser Sprachkurs richtet sich an die wenig Spanisch sprechenden Migrant*innen und versucht die Hemmungen vor dem Sprechen abzubauen, indem er alltägliche Kommunikationssituationen inszeniert und zu kleinen Sprachspielen anregt. Im Theaterkurs wollen wir Szenen des Alltags nachstellen, aber auch Probleme und Wünsche der Teilnehmer*innen thematisieren und dramaturgisch verarbeiten.

Plakatgestaltung für die Demonstration zum Frauenkampftag am 8. März.

Die verschiedenen Spiele und Schauspielübungen unterstützen zudem die sprachliche Ausdrucksfertigkeit. Im Workshop der visuellen Kommunikation lernen die Teilnehmer*innen, wie man Transparente, Stencils und Wandbilder gestalten und somit die eigenen Botschaften und Ideen in der Öffentlichkeit sichtbar machen kann. Nach einem Austausch mit Jugendlichen aus San Isidro kam außerdem die Idee auf, mehrmals in der Woche mit unseren Kampfsportlern ein kleines Sportprogramm anzubieten und gemeinsam mit ihnen ein paar Kicks in die Pratze zu setzen.

 

Neben dem Kursangebot unterstützten wir die Gewerkschaft, indem unser Rechercheteam Informationen über die Unternehmensstrukturen in der Landwirtschaft rund um Almería sammelt. Ziel ist es, eine Datenbank aufzustellen, welche die bearbeiteten Fälle der SOC-SAT und die beteiligten Firmen beinhaltet. Damit sollen die Zusammenhänge innerhalb der Verwertungskette aufgedeckt werden, um bei Rechtsverstößen auch Druck auf deutsche Handelsunternehmen ausüben zu können.

Am Tag nach unserer Ankunft besuchten wir das Gewerkschaftslokal in San Isidro de Nijar und trafen uns mit einigen Arbeiter*innen vor Ort. Im dortigen Büro gab es in den letzten Jahren eher wenig Aktivität, obwohl in der Umgebung ein hoher Bedarf an gewerkschaftlichem Engagement besteht, wie wir auch in unserem Gespräch feststellten. Wir bekamen den Eindruck einer massiven Frustration von den Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft aber gleichzeitig signalisierte uns die Gruppe auch eine Bereitschaft zum gemeinschaftlichen Widerstand und ein reges Interesse an unserer Brigade. Diese Erfahrung verschaffte uns einen Motivationsschub – voller Tatendrang planten wir die Auftaktveranstaltung in der kommenden Woche, um uns noch mehr Leuten in der Gemeinde vorzustellen.

Das Wochenende verbrachten wir neben den Vorbereitungen auch damit, uns in der Gegend um Almería einen Eindruck zu verschaffen. Wir besuchten einige Demos und Kundgebungen und kamen so auch mit anderen regionalen politischen Gruppierungen ins Gespräch, wie z.B. mit Aktivist*innen von ‘Podemos’ und den ‘Anticapitalistas’.

Ankündigung und Vorstellung unserer Brigadeworkshops in El Ejido.

Am Montag, den 06.03 fand unsere Ankündigungsveranstaltung in San Isidro statt. Mit einer kleinen Gruppe von Arbeiter*innen drehten wir vorher eine Runde durch die Nachbarschaft, um die Leute der Umgebung auf die bevorstehende Veranstaltung aufmerksam zu machen. Im gut gefüllten Gewerkschaftshaus stellten wir uns und unser geplantes Kursangebot vor. In der daran anschließenden sehr emotional geführten Diskussion berichteten v.a. die männlichen Arbeiter von den niedrigen, gesetzeswidrigen Löhnen, dem Konkurrenzdruck unter den migrantischen Arbeiter*innen und dem Rassismus, der den Einwanderer*innen in der Region entgegengebracht wird. Die erste Reaktion der Besucher*innen auf unsere Präsentation zeigte uns, dass sie mehr Interesse an einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen haben als an der Teilnahme an unseren Kursen. Andererseits wurde aber auch deutlich, wie bedeutsam für die Leute vor Ort ein gemeinsamer Raum ist, um sich über die eigene Lebenswirklichkeit und die damit zusammenhängenden Probleme auszutauschen. Wir betonten gemeinsam mit den Gewerkschaftsgenoss*innen Spitou und Carmen die Bedeutsamkeit von gewerkschaftlicher Selbstorganisation und verwiesen darauf, dass unsere Kurse die Gelegenheit bieten, sich mit Berufs- und Alltagsproblemen auf verschiedene Art und Weise auseinanderzusetzen.

Am 07. März präsentierten wir unser Programm im Gewerkschaftsbüro der SOC-SAT in El Ejido. Im Vorfeld unserer Abendveranstaltung besuchten wir die “Area de la mujer”. Diese von der Gewerkschafterin Carmen organisierte Veranstaltung bietet einmal in der Woche mehrere Aktivitäten an, um die vornehmlich marokkanischen Frauen dabei zu unterstützen, ihren Alltag möglichst selbstständig zu bewältigen. Da vor allem die Erwachsenen kaum Spanisch sprechen, bietet sie Sprachkurse an, vermittelt Kenntnisse im Umgang mit dem Computer und begleitet bei Arztbesuchen oder Behördengängen. Neben den gemeinschaftlichen Aktivitäten mit den Frauen findet im Büro von El Ejido eine Beratung zu arbeitsrechtlichen Fragen statt.

Nachdem wir einige Frauen der “Area de la mujer” bei Gruppenspielen ein wenig kennenglernt hatten, stellten wir am Abend unsere Brigade und unser Kursangebot für El Ejido vor. Im Anschluss bereiteten wir gemeinsam mit den Frauen und ihren Kindern die Demonstration am Frauenkampftag vor, indem wir mit ihnen Schilder aus Pappkarton anfertigten und ein großes Transparent für die Demonstration am Frauenkampftag gestalteten. Am Rande dieses ersten Kurses der visuellen Kommunikation konnten wir den Besucher*innen in entspannter Atmosphäre näherkommen und uns miteinander austauschen.

Festliche Speisen und eine gesellige Atmosphäre am 8. März

Zum Internationalen Frauenkampftag lud die SOC-SAT in Almería zu einem gemeinsamen Fest. Die Veranstaltung wurde von den Frauen der “Area de la mujer” in El Ejido sowie Almería besucht. Die meisten kamen festlich gekleidet in traditionellen marokkanischen Gewändern und brachten vielerlei Gebäck, sodass der Tisch den ganzen Abend mit leckeren Speisen gedeckt war. Zu den Aktivitäten, welche Carmen, Laura und Maria vorbereitet hatten, zählten Vorträge zu Themen wie Diskriminierung am Arbeitsplatz und die Geschichte des Feminismus sowie kurze musikalische Zwischenspiele. Die marokkanischen Frauen führten unter Abwesenheit der Männer traditionelle Tänze vor und sangen Lieder zu Ehren der Frau.

Wir konnten im gut gefüllten Büro auf unsere Kurse aufmerksam machen und uns einzeln der Frauengruppe vorstellen. Im Anschluss an den gemeinsamen Abend bei der SOC-SAT gingen wir mit den Frauen aus El Ejido zur Demonstration anlässlich des Weltfrauentages in der Innenstadt von Almería. Wir reihten unser Transparent des feministisch-migrantischen Kampfes neben das der anderen beteiligten Gruppen, wie der Student*innen-Gewerkschaft und Podemos. Für viele junge Frauen war es das erste Mal, dass sie an einer Demonstration teilnahmen. Einige sagten uns sogar ab, weil sie Angst hatten, aufgrund politischer Aktivität verstärkt an Diskriminierung zu leiden.

Berta Cáceres

Unsere diesjährige Brigade trägt den Namen der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres aus Honduras. Cáceres war eine der Mitbegründer*innen der Organisation COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras), welche sich für die Erhaltung von Naturräumen und die indigenen Gemeinden der Lenca einsetzt. Die Lenca als größte indigene Gruppe in Honduras werden in den letzten Jahren zunehmend durch die Aktivitäten von Energie- und Bauunternehmen in ihrer Heimat bedroht. Zuletzt wurde in diesem Zusammenhang vor allem das Staudammprojekt Agua Zarca am Fluss Rio Gualcare bekannt, wodurch den indigenen Gemeinden der Region die wichtigste Wasserzufuhr genommen worden wäre. Während der seit 2013 stattfindenden Proteste gegen das Bauvorhaben verschwanden mehrere Aktivist*innen der COPINH oder wurden Opfer der Repression durch das Militär. (siehe z.B. https://amerika21.de/2013/07/83778/tomas-garcia oder  https://amerika21.de/2014/04/99317/rio-blanco-april )

Cáceres, welche selbst wegen ihres Engagements gegen den Bau in Agua Zarca inhaftiert wurde, führte trotz mehrerer Morddrohungen und Einschüchterungsversuche ihren Kampf gegen die Enteignung indigener Territorien und die Privatisierung natürlicher Ressourcen fort, wie sie in Honduras im Zuge neoliberaler Entwicklungspolitik vor sich geht. Sie trotzte damit der Tatsache, dass durch die zunehmende Militarisierung seit dem Putsch im Jahr 2009 und die Entstehung von quasi rechtsfreien Zonen im Land eine der höchsten Mordraten weltweit herrscht und der Widerstand gegen die rücksichtslose Expansion von Großunternehmen und der Einsatz für Menschenrechte lebensbedrohlich ist. Obwohl das Ausmaß der Bedrohung für Berta Cáceres bekannt war und sie von der interamerikanischen Menschenrechtsorganisation Schutz zugesagt bekommen hatte, unternahmen laut COPINH die Behörden nichts, sodass sie am 03. März 2016 von zwei Männern ermordet werden konnte. Die Ermittlungen in ihrem Mordfall und seine Darstellung in der Öffentlichkeit sind seither von staatlicher Manipulation geprägt.

Ihr Mut und ihr Einsatz für die Rechte von Minderheiten ist für unsere Arbeit hier vor Ort eine Inspiration.

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